Fragen 
Um ein paar immer wieder gestellte Fragen vorwegzunehmen, hat sich Jörg Kastner hier den schonungslosen Fragen des intimen Autorenkenners Art Oleeg gestellt:
Oleeg: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Kastner: Über Umwege, sprich über eine Jurastudium und eine Ausbildung zum Volljuristen. Aber die Lust an gut erzählten Geschichten und am Fabulieren hat mir schon immer im Blut gelegen. Möglicherweise gibt es unter meinen Vorfahren einen wandernden Geschichtenerzähler oder etwas in der Art. Jedenfalls habe ich schon während des Studiums etliche nichtjuristische Texte verfaßt und schließlich auch veröffentlicht, was mir den Schritt, mich nach dem bestandenen zweiten Staatsexamen als frei- und hauptberuflicher Schriftsteller zu versuchen, sehr erleichtert hat.
Oleeg:Würden Sie andere Menschen, die diesen Schritt auch wagen möchten, ermutigen?
Kastner: Wie man früher bei Radio Eriwan zu sagen pflegte: Das kommt darauf an. Wenn auf der einen Seite ein solider Brotberuf vorhanden ist, auf den man notfalls zurückgreifen kann, und wenn hinzutritt, daß jemand bereits etwas veröffentlicht und dafür auch anständiges Geld bekommen hat, ist der Schritt zum freien Schriftsteller zumindest bedenkenswert. Anderenfalls lautet mein dringender Rat, es mit dem Schreiben erst einmal nebenbei zu versuchen und abzuwarten, ob die Verleger nach mehr rufen und diese Rufe auch durch saftige Überweisungen aufs Bankkonto unterstreichen.
Oleeg: Das hört sich ja an, als käme es beim Schreiben nur aufs Geld an.
Kastner: Beim Schreiben nicht, aber beim Bäcker, beim Fleischer, beim Frisör, im Supermarkt und an der Tankstelle schon.
Oleeg: Sie haben den Sprung ins kalte Wasser der freien Schriftstellerei aber noch nicht bereut?
Kastner: Wie ich bereits dargelegt habe, war für mich das Wasser immerhin schon lauwarm, als ich den Beckenrand der Juristenkarriere losließ. Ich denke, in jedem Beruf gibt es Situationen, wo man sagt: ?Das muß ich mir nicht bieten lassen! Wozu racker ich mich ab! Da kann ich mein Geld (da haben wir es wieder) auch als Fußpfleger, als Videothekenbesitzer oder eben als Rechtsanwalt verdienen.? Daß ich so etwas zwar gelegentlich denke, aber bisher nicht wahrgemacht habe, zeigt, daß ich meine Berufswahl nicht bereue.
Oleeg: Haben Sie denn in der Schriftstellerzunft Vorbilder?
Kastner: Nein.
Oleeg: Okay, versuchen wir es anders: Welche Autorenkollegen lesen Sie gern und warum?
Kastner: Karl May wegen seiner ungezügelten Lust zu fabulieren, seinen witzigen Dialogen und seiner Liebe zu den Menschen. Ian Fleming wegen seiner unvergleichlichen Meisterschaft im Beschreiben von Details und im Erzeugen von Atmosphäre. Philip José Farmer wegen der Art und Weise, althergebrachte Mythen in ein neues Gewand zu kleiden. Friedrich Dürrenmatt wegen seiner Kunst, Genrewerke zu schreiben, die das betreffende Genre reflektieren und durchbrechen.
Oleeg: Und welches ist Ihr Lieblingsbuch?
Kastner: Karl Mays Autobiographie ?Mein Leben und Streben?. Ein Werk, das ich jedem angehenden Schriftsteller ans Herz legen möchte.
Oleeg: Karl May? Ich meinte jetzt eigentlich ein literarisch wertvolles Buch, das Ihnen Essentielles fürs Leben mitgegeben hat.
Kastner: Ich auch.
Oleeg: Wenn Sie sich so um Ihre jungen Kollegen sorgen, wären Sie auch bereit, deren Manuskripte zu lesen, um ihnen wertvolle Tips zu geben?
Kastner: Wenn Sie mich so fragen: leider nein. Man lebt nur zweimal, einmal für den Job und dann natürlich auch fürs Privatleben. Da bleibt für ein drittes Leben als ehrenamtlicher Lektor keine Zeit. Eins der drei Leben würde unweigerlich darunter leiden und wenn es das ehrenamtliche Lektorenleben wäre, hätten die jungen Kollegen auch nichts davon.
Oleeg: Machen Sie wenigstens in besonderen Fällen, wenn es also quasi um ein fast fertiges Meisterwerk geht, Ausnahmen?
Kastner: Um das mit dem Meisterwerk festzustellen, müßte ich das Manuskript erst lesen und dazu fehlt mir, siehe oben, die Zeit.
Oleeg: Aber vielleicht könnten Sie wenigstens gute Ideen für eine Geschichte verraten?
Kastner: Klar doch, sobald der Papst die Kirchenschätze veräußert und der Bundesfinanzminister die Einkommenssteuer abschafft.
Oleeg: Wechseln wir das Thema. Wie sieht der Arbeitsalltag eines Schriftstellers aus?
Kastner: Bei verschiedenen Schriftstellern vermutlich verschieden. Bei mir ist der Tagesablauf sehr geregelt, zumal meine Frau Corinna zwar auch schreibt, daneben aber einem Brotberuf nachgeht. Also stehe ich frühmorgens auf und setze mich nach dem Frühstück und so literarisch wertvollen Arbeiten wie Tisch abräumen und Betten machen an den Schreibtisch. Wenn meine Frau abends heimkommt, wird gemeinsam gegessen. Danach wird entweder der Freizeit gefrönt, oder wir beide verziehen uns noch für ein paar Stunden jeder an seinen Computer.
Oleeg: Sie haben auch ein Buch gemeinsam mit Ihrer Frau geschrieben. Wie darf man sich da die Arbeitsteilung vorstellen?
Kastner: Keinesfalls so, daß wir uns Auge in Auge gegenübersitzen und bis zum letzten Atemzug über jede Formulierung, über jede Silbe streiten. Dann wäre unser Buch wohl noch nicht fertig und unsere Ehe schon geschieden, da wir beide auch mal konfliktfreudig werden können. Jeder hat erst seinen Teil des Buches für sich geschrieben und dann dem anderen zum Überarbeiten weitergereicht. So ging der Text hin und her, bis er nach unserer Meinung druckreif war.
Oleeg: Und die Recherche? Gerade Ihre historischen Romane werden gern für Ihre detaillierte Recherche gerühmt. Wie gehen Sie da vor?
Anwort: Erst einmal besitze ich viele, viele Bücher und ständig kommen neue hinzu. Leserecherche also. Daneben versuche ich, meine Romanschauplätze möglichst aus erster Hand zu kennen, um bei der Beschreibung viel Atmosphäre rüberzubringen. Auch der Finanzbeamte freut sich immer, wenn er eine hübsche Reise nach Paris oder Rom als Geschäftsausgabe in der Steuererklärung findet.
Oleeg: Was sollen Ihre Bücher bei den Lesern erreichen?
Kastner: In erster Linie will ich Kurzweil und Entspannung verbreiten. Wenn ich darüber noch ein paar Informationen, zum Beispiel über die Geschichte, vermitteln oder sogar dem einen bzw. der anderen einen weiterhenden Denkanstoß vermitteln kann, finde ich das um so besser.
Oleeg: Kein Weltverbesserungsanspruch?
Kastner: Ich bin Realist geworden.
Oleeg: Eine Menge Bücher sind Ihnen schon aus der Feder oder dem Drucker geflossen, darunter auch etliche vergriffene Titel. Kann der Kastner-Komplett-Sammler diese bei Ihnen bekommen?
Kastner: Bedaure, aber erstens ist mir das vertraglich verwehrt, und zweitens benötige ich meine Restexemplare in der Regel, um Verleger für mögliche Neuauflagen zu interessieren. Aber wer sucht, der findet bekanntlich, im Internet zum Beispiel bei zvab.com, bei ebay.de oder bei amazon.de, wo es ja auch gebrauchte Bücher von Drittanbietern zu kaufen gibt.
Oleeg: Gibt es Verfilmungen Ihrer Werke, Hörspiele oder Hörbücher?
Kastner: "Die Farbe Blau" gibt es als sehr schöne Hörbuchumsetzung, die sogar für den Deutschen Hörbuchpreis 2006 nominiert wurde. Das war der Anfang im Audiosektor, weitere Hörbuchadaptionen sind seitdem erfolgt. Verfilmungen gibt es bislang leider nicht. Aber wenn erst geschäftstüchtige Produzenten auf diese Seite stoßen, wird sich das sicher schnell ändern.
Oleeg: Ich dachte, Sie bezeichnen sich als Realist.
Kastner: Oje, schon so spät? Ich habe gleich noch einen wichtigen Termin.
Oleeg: Verstehe. Zum Abschluß die unverzichtbare Frage, welches Ihrer Bücher Ihnen das liebste ist.
Kastner: Zum Abschluß die Gegenfrage, welches Ihrer Kinder Ihnen das liebste ist.
Š 2002 by Jörg Kastner & Art Oleeg